Evangelisches Bildungswerk München e.V.

Buch des Monats: „Vielleicht Esther“

Teil der Reihe: Buch des Monats: Neues, Liebenswertes, vergessene Schätze - für Sie gehoben

von Katja Petrowskaja
Suhrkamp Verlag Berlin
ISBN 978-3-518-42404-09

rezensiert von Eva Forssmann

Katja Petrowskaja ist in Kiew geboren, noch sowjetrussisch erzogen und schreibt deutsche, preisgekrönte Literatur. Das allein ist schon bemerkenswert. Noch bemerkenswerter ist das Leseerlebnis mit dem Buch „Vielleicht Esther“. In sieben, episodenhaften Kapiteln geht Petrowskaja Fragmenten ihrer Familiengeschichte nach. Sie sichtet Bilder, entdeckt Verwandte, von denen sie nichts wusste, hört neue Familiengeschichten oder alte Geschichten in neuer Perspektive. Eigentlich hatte sie aus erzählten Puzzlesteinen die Geschichte ihrer jüdischen Urgroßmutter zusammensetzen wollen, die vielleicht Esther hieß und im besetzten Kiew 1941 allein zurück blieb. Immer wieder fasst sie einzelne Erzählstränge, verdreht sie zu einem Faden und lässt sie dann doch wieder in Einzelstränge frei. So sehen wir mit der Erzählerin am Ende viele einzelne Geschichten, die aber kein Gesamtbild ergeben, weil sie zu klein sind, als dass unsere Phantasie sie zu einem Ganzen zusammenfügen könnte. Das „Vielleicht“ rettet die Geschichten vor der Verklärung und der Erklärung. Am Ende sind wir nicht klüger als vorher, am Ende haben wir aber gelacht und inne gehalten, geschmunzelt und eigene Vorschläge zur Geschichte in unserem Kopf beigetragen.
So angeregt zu werden, die Lücken zu füllen ist ein besonderes Lesevergnügen, das ich gerne weiter empfehle.

Eva Forssman

---