Evangelisches Bildungswerk München e.V.

Buch des Monats: Bohnerwachs und Kaffeeduft

Ein Demenz Lese-Foto-Arbeitsbuch

Karin Biela
Telescope Verlag, 2015, 112 S.
ISBN-10: 3959150040
ISBN-13: 978-3959150040

rezensiert von Dr. Rosine Lambin, Pädagogische Referentin des _ebw, Seniorenprogramm_

Kurzübersicht

In 14 praxisorientierten Kapiteln präsentiert die Autorin, anhand von eigenen Texten und Bildern, selbsterprobte Methoden für die Arbeit mit an Demenz erkrankten Menschen. Das Buch richtet sich an Angehörige sowie an das haupt- und ehrenamtliche Personal in Institutionen, die Menschen mit Demenz begleiten. Es basiert auf vier Bausteinen: Vorlesegeschichten und Gedichte, Farbbilder, die die Geschichten ausschmücken, Informationen zum Thema der Geschichten und/oder zum Krankheitsbild Demenz und Aktivierungs- und Beschäftigungsangebote, die auf die Geschichten bezogen sind.

Die Autorin vertritt die Meinung stark, dass Menschen mit Demenz oft kreativer und leistungsfähiger sind, als manchmal gedacht. Demensprechend sind die Texte und z.T. die Aktivierungsvorschläge oft anspruchsvoll. Die Geschichten werden durch Hintergrundinformationen ergänzt. Die Bilder stellen visuelle Reize dar und dienen der Arbeit mit Emotionen und Erinnerungen. Die vielfältigen Methoden zur Aktivierung und Beschäftigung sind als Instrumente für die Demenzbetreuung gedacht. Die Auswahl der Methoden umfasst Biografiearbeit, Gedächtnistraining, Körperwahrnehmung und Motorik, Sinnenstimulation sowie Kreativität-Förderung. Zusätzlich werden Tipps für die Arbeit mit Menschen mit Demenz gegeben. Jeder Bereich wird mit einer Farbe gekennzeichnet: schwarze Buchstaben für die Geschichten, grüne für die Tipps, braune für die Informationen, rote für die Aktivierung. Diese Farben sind für die Lesbarkeit des Buches besonders hilfreich. Am Ende des Buches wird auch ein Memory-Spiel mit den Bildern des Buches als weiteres Angebot dargestellt.

Ziel des Buches

„Dieses Buch widme ich allen Menschen, denen demenziell erkrankte Senioren am Herzen liegen und die sich privat, ehrenamtlich oder beruflich für sie engagieren.“ (Widmung, S.5)
Das Buch will an erster Stelle eine Hilfe und eine Anregung für Menschen sein, die mit an Demenz erkrankten Menschen arbeiten. Es wird kaum Theorie über die Krankheitsformen vermittelt. Die Autorin lässt Theorieansätze zwischendurch in die in Braun geschriebenen „Weiterführende Informationen“ und in die in Grün geschriebenen „Tipps“ einfließen. Es wird z.B. erklärt, wie das Lachen sich positiv auf Menschen mit Demenz auswirkt (S.21) oder wie der Kontakt mit Tieren Spannungen abbauen und das Wohlbefinden steigern lassen kann (S.100-101). „Studien“ werden im Buch mehrmals erwähnt, ohne dass die Autorin sie in einer wissenschaftlichen Form zitiert (S.21, S.101). Die Kategorie „Weiterführende Informationen“ enthält Angaben, die das Wissen des Lesers/ der Leserin über das formulierte Thema in der Geschichte erweitert. Auf S.27 werden z.B. historische Hinweise über bestimmte Automarken sowie eine Liste weiterer Marken gegeben. S.32 wird die Insel Rügen dargestellt, S.62 die Bedeutung von Ritualen erklärt und S.90 Auskunft über die Kelten gegeben, die zwar eine Schrift hatten, aber selten geschrieben haben.
Die Bilder werden im Buch thematisch dargestellt und haben als Ziel, das Gespräch mit den betreuten Menschen anzuregen. Man findet im Buch überwiegend Tier- und Naturbilder. Ab S. 34 kann man z.B. mehrere Bilder aus verschiedenen Ländern und Urlaubsorten sehen, die als Basis für ein Gespräch über Urlaubsthemen dienen sollen. Die LeserInnen werden ermutigt, selber Postkarten für ihre Arbeit sowie auch Materialien, die an den Urlaub erinnern können, zu sammeln (S.42).
Alle Sinne werden in den Methoden zur Aktivierung und Beschäftigung angesprochen: Das visuelle Betrachten der Bilder und des vorgeschlagenen Materials, das Tasten von Pflanzen, Tieren und Gegenständen, das Berühren der Haut, das Riechen von Düften, das Hören von Wörtern und Musik. Es werden auch Anregungen für die spirituelle Entfaltung gegeben.
Man findet auch im Buch anspruchsvollere Ideen, wie z.B. eine Seifenkiste zu bauen (S.46): Die Autorin will dabei die Ansicht vermitteln, dass Menschen mit Demenz oft leistungsfähiger sind, als man denkt. Dieser Standpunkt taucht mehrmals im Buch auf.

(Stil)-Kritik

Das Buch ist liebevoll geschrieben und sehr gut lesbar. Viele Texte sind nicht nur poetisch sondern auch humorvoll. Die Bilder sind kontrastvoll, vielfältig und illustrieren die Geschichten bestens. Die angebotenen Methoden sprechen alle Sinne an. Die Einheit über die „olfaktorische Stimulation“ (S.90-91) wird besonders kompetent und differenziert dargestellt.
Das Buch hat keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Wenn „Studien“ erwähnt werden (z.B. S.21, 101), wird in der Regel nicht gesagt, wie viele und wann sie durchgeführt wurden und ob es Studien gibt, die zu anderen Ergebnissen gekommen sind.
S. 106 wird die „Basale Stimulation“ vorgestellt, aber zu kurz, da das Berühren von (älteren) Menschen mit Vorsicht angewendet werden muss. Es wird nicht erwähnt, dass manche ältere Menschen es nicht mögen, berührt zu werden. Die Einheit könnte also den Eindruck geben, dass es pauschal in Ordnung wäre, ältere Menschen zu berühren. Hier sollte empfohlen werden, eine Fortbildung über die Methode „Basale Stimulation“ zu besuchen, bevor man sie anwendet.
Die Sprache des Buches wurde in männlicher Form geschrieben und ist damit nicht gendergerecht. Bei der nächsten Auflage könnte es korrigiert werden.
Das Buch spricht wenig die Gruppe der älteren MigrantInnen an. Diese ist noch nicht sehr groß, wird aber wachsen. Methoden zu entwickeln, die alle MigrantInnen ansprechen, ist unmöglich, da Kulturkreise sehr vielfältig und unterschiedlich sind. Aber Möglichkeiten gibt es und ein paar gibt es schon im Buch, ohne dass es explizit bemerkt wird, dass diese Methoden auch für MigrantInnen geeignet sind. Seifenkisten (S.43) bauen ist typisch deutsch und kann nur erwähnt werden, wenn es sicher ist, dass die Betreuungsgruppe oder die Person weiß, was damit gemeint ist. Nur teilweiser kann das Thema „Heimat“ (S.52), wie es im Buch präsentiert wird, mit älteren MigrantInnen besprochen werden. Der Vorschlag, zum Thema etwas zu malen (S.53), ist wiederum für alle Menschen gut geeignet. Auch die Arbeit mit Sprichwörtern z.B. aus Märchen (S.80-83) ist nur für Menschen denkbar, die sie schon sehr früh gelernt haben. Die Arbeit mit Materialien, die an Märchen erinnern lassen, kann dagegen für viele EuropäerInnen aus verschiedenen Ländern gut funktionieren.
Das Seniorenprogramm des ebw empfiehlt die Lektüre dieses Buches:
Es lohnt sich, weil es nicht nur liebevoll und ästhetisch gemacht wurde sondern auch weil es viele interessante praxisbezogene Tipps und Methoden für die Arbeit mit Menschen mit Demenz beinhaltet.

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