Vor einigen Jahren hatte ich eine schwere persönliche Krise. Ein junger Pfarrerskollege namens Paul hat das mitbekommen. Er nahm mich damals zur Seite und sagte zu mir: „Ich weiß von deiner Krise. Jetzt bin ich gespannt, wie du da herauskommst. Ich will das von dir lernen, wenn ich irgendwann selbst mal in eine Krise gerate. Da bist du mein Vorbild.“
Pauls Worte hatten damals eine erstaunliche Wirkung auf mich. Plötzlich war die Krise nicht mehr das schwarze Ungeheuer, das mir den Hals zudrückt. Sie war jetzt eine Herausforderung. Ich hatte eine Verantwortung, die Krise anzugehen und wenn möglich zu bestehen, um Paul ein Vorbild zu sein. Das hat mich motiviert und mit dazu beigetragen, die Krise zu überwinden.
Nicht jede Krise lässt sich so lösen. Aber es tut gut, in Krisenzeiten zu wissen, dass wir für jemanden oder etwas verantwortlich sind: Für die Kinder, die Katze, den Wellensittich, die Hängepetunien auf dem Balkon. Aber auch eher abstrakte Dinge wie Glaube, Liebe, Hoffnung nehmen uns in die Verantwortung. Gerade in Krisen sollten wir an ihnen festhalten. Wenn wir diese Dinge in dunklen Zeiten trotzdem leben, wachsen uns Kräfte zu. So wie wir andere stärken, wenn wir ihnen von überwundenen Krisen erzählen. Und Paul? Ist schon jung ein großartiger Seelsorger.

Felix Leibrock, Geschäftsführer, Pfarrer, Autor