Evangelisches Bildungswerk München e.V.

Buch des Monats: Gute Geister

rezensiert von Ulla Wolf

Autor: Kathryn Stockett (engl.: „The Help“, deutsch 2011 bei btb, 605 Seiten)

Um es gleich zu sagen: „Gute Geister“ ist für mich ein „magisches“ Buch – jenseits meines Interesses an Geschichten über Geschichte schlägt es eine Brücke zur eigenen Familiengeschichte.

Das Buch spielt in Jackson, Mississippi, 1962. Die junge Skeeter ist frustriert: nach dem Studium verbringt sie die Tage auf der elterlichen Baumwollfarm, als einzige ihrer Freundinnen noch unverheiratet. Die wollen sie verkuppeln mit einem charmanten jungen Mann, der sich aber als Snob erweist. Und dann ist auch noch ihr schwarzes Kindermädchen, bei dem sie stets Trost fand, spurlos verschwunden. Skeeter wünscht sich nur eins: Sie will weg aus dem engen Jackson und als Journalistin in New York leben. Neben Skeeter gibt es zwei weitere starke Frauen: Abileen und Minny sind ebenfalls mit ihrem Leben unzufrieden. Abileen hat ihren Sohn verloren und kümmert sich nun als Kindermädchen um Mae Mobly, deren Mutter sich mehr Gedanken um das Tafelsilber macht, das Abileen vielleicht mitgehen lassen könnte, als um das Wohlergehen ihrer Tochter. Und die Meisterköchin Minny hat zum wiederholten Mal ihre Arbeit verloren, weil sie ihre scharfe Zunge nicht im Zaum halten konnte. Diese drei mutigen Frauen nehmen zusammen ein wahrhaft abenteuerliches Projekt in Angriff, sie pfeifen trotz aller Ängste und Bedenken auf alle Konventionen.

Die Autorin erzählt die Geschichte abwechselnd aus der Perspektive der drei Frauen in der Ich-Form. Bei der Lektüre wähnt man sich zurück in die Zeit der Sklaverei versetzt. Man taucht ein in die Welt des tiefen Südens, wandert über Baumwollfelder, schlendert durch Jackson, ist bei Teegesellschaften der Damen im Herrenhaus dabei, erfährt, dass ihre Männer wichtig sind und oft zu tief ins Glas schauen – und man trifft auf die „guten Geister“, die ihre Familien ernähren müssen, sieht sie in der Küche arbeiten und sich um die Kinder kümmern, denen sie die Zuneigung geben, die sie von ihren Müttern nicht bekommen. Die verbringen ihre Zeit lieber in wohltätigen Damenkränzchen, der Alltag funktioniert nur, wenn Abileen und Minny tatkräftig zupacken. Und schließlich ist da „Skeeter“, die hinter dem Rücken ihrer strengen Mutter im Lokalblatt Haushaltstipps gibt. Da sie keine Ahnung hat von Haushaltsführung, bittet sie Abileen, Kindermädchen bei einer Freundin, um Hilfe. Daraus und aus dem Wunsch, etwas über ihr eigenes verschwundenes Kindermädchen zu erfahren, entsteht der Plan, ein Buch über das Leben der schwarzen Dienstmädchen zu schreiben, für den sie auch Minny gewinnen können. Das Manuskript überzeugt die Verlegerin eines New Yorker Magazins von Skeeters Qualitäten als Journalistin, es verändert auch Jackson, wo die Welt nie wieder so sein wird wie vorher.

Und nun zur Familiengeschichte: Meine Ururgroßmutter Louise von Seybold aus München heiratete 1856 Valsin Marmillon aus Baton Rouge, Louisiana, und zog mit ihm auf die Zuckerrohr-Plantage seines Vaters am Mississippi. Louise berichtet in langen Briefen an ihre Familie in München über ihr neues Leben auf der Plantage (mit Sklaven und „guten Geistern“ für ihre Töchter), über ihre Nachbarn und die Gesellschaft im nahegelegenen Baton Rouge und natürlich auch über den Sezessionskrieg und den Sieg der Nord- über die Südstaaten und das Ende der Sklaverei, von dem die Plantage schwer getroffen wurde. Also sozusagen über die „Vorgeschichte“ von „Gute Geister“. Die Briefe wurden 1965 auf einem Dachboden von einer Urenkelin, meiner Tante, gefunden, die sie abgeschrieben und dann als Buch der Familie zugänglich gemacht hat – Erinnerungen einer starken Frau, mitten drin in einem gesellschaftlichen Wandel, der Amerika veränderte und noch heute nachwirkt.“

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